Nach der Ausbildung zum Kneipp-Hydrotherapeuten an der Sebastian-Kneipp-Schule Bad Wörishofen ist die Hydrotherapie zu einem unverzichtbaren Bestandteil meiner täglichen Praxisarbeit geworden. Kneipp-Hydrotherapie bedeutet viel mehr als nur "kaltes Wasser".
Die Grundformen der Hydrotherapie nach Kneipp sind:
- Waschungen
- Wickel
- Auflagen
- Kompressen
- Packungen
- Güsse
- Bäder
- Dämpfe
Therapeutischen Einsatzmöglichkeiten der Kneipp-Hydrotherapie sind z.B.:
- Akute (fiebrige) Infekte
- Akute lokale Entzündungen
- Bronchial- und Lungenerkrankungen
- Ischialgien, Lumbago, Muskelschmerzen
- Funktionelle Leibbeschwerden
- Metabolisches Syndrom- Spasmen und Koliken
- Erkrankungen des Urogenitalsystems
- Menstruationsstörungen
- Koronare Herzkrankheit
- Bluthochdruck/niedriger Blutdruck
- Krampfadern
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit
- Funktionelle Durchblutungsstörungen
- Psycho-neuro-vegetative Erschöpfungszustände
Die von Kneipp begründete gesunde Lebens- und naturgemäße Heilweise wurde von Ärzten und Wissenschaftlern weiterentwickelt und umfasst die folgenden fünf Wirkprinzipien:
- Hydrotherapie
- Bewegungstherapie
- Ernährungstherapie
- Phytotherapie
- Ordnungstherapie
Neben der Kneipp Hydrotherapie kommen natürlich auch die anderen Wirkprinzipien in unserer Praxis zur Anwendung.
Wie funktioniert die Kneipp-Hydrotherapie?
ln der Hydrotherapie dient das Wasser als Reizträger und -vermittler vorwiegend für thermisehe Reize. Hydrotherapie ist deshalb weitgehend als Thermotherapie zu verstehen, die überwiegend im Sinne einer unspezifischen Reiz-, Reaktions- und Regulationstherapie wirksam wird.
Unspezifische Reiz- Reaktions- und Regulationstherapie bedeutet, dass nicht unmittelbar in das pathogenetische Geschehen eingegriffen wird, sondern dass durch die Änderung des inneren Milieus den Krankheitsursachen der Nährboden entzogen und gestörte Regulationen normalisiert werden sollen.
Es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen kurzzeitig wirksamen Anwendungen mit Sofort- bzw. unmittelbaren Reaktionen und Anwendungen bei denen eine anhaltende Wirkung im Sinne einer adaptiven Anpassung angestrebt wird. Letzteres ist nur über serielle und trainingsmäßig gesteigerte Anwendungen möglich.
Thermische Reize sind nicht nur lokal wirksam, sie wirken auch regulierend auf die vegetativen Steuerzentren im zentralen Nervensystem, speziell im Hypothalamus und auf das Endokrinum (Hormonsystem) ein. Voraussetzung für dieses "physiologische Lernen" mit anhaltenden Neuregulationen sind die über einen längeren Zeitraum hinweg angewandten seriellen und trainingsmäßig gesteigerten Anwendungen.
Mechanische und chemische Einflussfaktoren spielen im Rahmen der Hydrotherapie, im Vergleich zu den thermischen Reizen, eine untergeordnete Rolle.
Reaktionsebenen
Auch wenn die Wirkung hydrotherapeutischer Anwendungen weitgehend unspezifisch erfolgt und somit stets auch mehrere Reaktionsebenen beeinflusst werden, ist es für die therapeutische Zielsetzung wichtig, zwischen diesen zu differenzieren:
lokal
Merkmal: Anwendungs- und Wirkungsort sind identisch, kleinflächige Anwendungen
Praxisbeispiel: Wärmeentziehende Auflagen bei Entzündung, Wärmezuführende Auflagen (Heusack, Dampfkompresse) bei umschriebenem Muskelhartspann, heiße Tauchbäder bei Panaritium, Sitzbäder mit Kamille bei Entzündungen im Anal- oder Genitalbereich
allgemein
Merkmal : Großflächige Anwendungen
Praxisbeispiel: Warme Vollbäder mit Zusatz (Wacholder) bei generalisiertem muskulärem Hypertonus
segmental
Merkmal: Kleinflächige im entsprechenden Derma- oder Myotom applizierte Anwendung mit thermischen oder mechanischen Reizen
Praxisbeispiel: Segmentblitzgüsse, Temperatur ansteigende Fußbäder bei Blasenentzündung, kaltes Armbad zur Senkung der Pulsfrequenz
konsensuell
Merkmal: Das gleichsinnige Mitreagieren eines nicht direkt behandelten Körperteils. Anwendungen mit Wirkungen auf die kontralaterale Seite oder von der oberen auf die untere Extremität
Praxisbeispiel: Temperatur ansteigendes Armbad zur Steigerung der Fußdurchblutung
innersekretorisch
Merkmal: Temperaturreize wirken auf die übergeordneten vegetativen und hormonellen Steuerzentren im Hypothalamus und der Hypophyse
Praxisbeispiel: Regelmäßige Abhärtungsübungen mit Kaltanwendungen reduzieren die Ausschüttung von Stresshormonen.
immunologisch
Merkmal: Zunächst kleinflächige, dann trainingsmäßig gesteigerte kalte und wechselwarme Anwendungen
Praxisbeispiel: Saunabaden und Wechselduschen verringern die lnfektanfälligkeit, temperaturansteigende Fußbäder bei beginnenden Erkältungen
vegetativ
Merkmal: Mittelgroße bis großflächige Anwendungen mit warmen, kalten oder wechselwarmen Anwendungen
Praxisbeispiel: Waschungen und Wickel zur vegetativen Umstimmung, warme Zusatzbäder wirken direkt vagotonisierend, kalte Güsse stimulieren den Sympatikus
psychisch
Merkmal: Behandlungen mit direktem körperlichem Kontakt und Anwendungen mit thermischen und olfaktorischen Reizen wirken über das limbische System auf die Stimmungslage ein.
Praxisbeispiel: Bürstenbadmassagen, Vollbäder mit sedierenden oder anregenden Zusätzen.
Bitte beachten Sie die Haftungs- und rechtlichen Hinweise!